Das Thema Exorzismus und Dämonenbesessenheit inklusive einer fast schon propagierenden Haltung zum Christentum, wo der Glaube als einziges Hilfsmittel gegen das Böse inszeniert wird, hat im Horror-Film-Genre der letzten Jahre einen festen Platz bekommen. Bestes Beispiel dafür ist die Conjuring-Filmreihe, die, im Gegensatz zu zum Beispiel „Der Exorzist“, der sowohl für religiöse Menschen als auch für Atheisten „geeignet“ ist, den christlichen Glaube zumindest im Narrativ des Films äußerst vehement anpreist. Doch auch für alle, die sich für die Themen Exorzismus und Dämonenbesessenheit aus wissenschaftlicher und/oder psychologischer Sicht interessieren, ist diese Art von Geschichten, die diese Filme zum Thema haben, sicherlich in mehr als nur unterhaltender Hinsicht sehenswert. Der gewiss derzeit aktuellste Film aus diesem Feld ist wohl The Devil’s Light (2022, Regie: Daniel Stamm).
Der gerade erst im Kino angelaufene Film erzählt die Geschichte der 25-jährigen Nonne Annie, die fest daran glaubt, dass Exorzismen ihre Berufung sind. Als Schwestern-Schülerin erlebt sie mit, wie den jungen Priestern dieses Verfahren am Institut, an dem sie studiert, beigebracht wird, während ihr als Frau das Ausüben dieser Praktik jedoch verwehrt bleibt. Durch die eigene traumatische Kindheit mit einer angeblich besessenen Mutter und der Begegnung mit einem ebenfalls betroffenen Mädchen, zu dem sie eine ganz besondere Verbindung spürt, entwickelt Annie mehr und mehr den Ehrgeiz als vermeintlich erste Frau Exorzismen durchführen zu wollen.
Dabei legt sie sich nicht nur mit den Dogmen und Traditionen der katholischen Kirche an, sondern auch mit dem Teufel persönlich …
Für den in Hollywood arbeitenden deutschen Regisseur Stamm ist „The Devils Light“ nicht sein erster Film zum Thema Exorzismus (Der letzte Exorzismus, 2010).
Eine Rebellin, die sich gegen die Traditionen einer patriarchalisch orientierten Religionsgemeinschaft auflehnt und das Thema Exorzismus sogar aus einer weiblichen Perspektive sieht und ausübt, hätte eine oberflächliche und öde PC-Trittbrettfahrergeschichte werden können. Doch Annie ist keine Kritikerin des Glaubens an sich, sie ist fest verankert im Katechismus und ist der Meinung, mit ihrer Mission nicht nur Gottes Werk richtig, sondern vielleicht sogar noch besser verrichten zu können, als manch ein Priester. Von denen muss sie sich Hybris und Anmaßung vorwerfen lassen, doch sie weiß, dass sie in der Lage ist, zu Betroffenen durchzudringen und ihnen zu wirklich zu helfen.
Ihre Unterstützer finden sich sowohl im Lager der Priester als auch im Lager der Wissenschaft (konkret in Form einer Psychologin, die zum Thema am Institut lehrt).
Mit einem Setting in düsteren Farben, einer bedrückenden Atmosphäre und geheimnisvoll „dark academia“-esquer Ausstattung, und auch darum nicht wirklich zeitlich und national verortbar, baut „The Devil’s Light“ von Beginn an eine solide Spannung auf und punktet auch mit einigen wirklich interessant und gut gemachten Schock-Effekten auf und auch die Jump-Scares wirken - zumindest im Kino.
Mit der katholischen Religion als thematischem Oberbau und den authentisch-menschlichen und deshalb nicht romantischen Beziehungen der Protagonisten untereinander ist auch kein Platz für etwa eine seichte Lovestory oder Schlimmeres.
Und obwohl das Thema Exorzismus und die Besessenheit von Dämonen als Realität des Narratives anerkannt wird, geht der Film den Stoff auf eine forschende und psychologische Art und Weise an, die den betroffenen Menschen und die allgemeine Erforschung des Themas im Zentrum hat und nicht eine schlichte gut und böse -Dichotomie, der aber der christlichen Religion ohnehin inhärent ist.
Indem der Zuschauer Annie begleitet, lernt er nicht nur ihre (weibliche) Perspektive auf die Sache und ihre persönliche Betroffenheit damit kennen, sondern erfährt auch noch die Konflikte, die der Stoff jenseits einer Inszenierung für das Horror-Film-Genre aufwirft und dessen wahre Abgründe, egal wie aufgebauscht sie für den Film auch sein mögen („in den Vatikan verlegt“).
Es mögen viele Horrorfilme zum Thema Exorzismus gedreht worden sein, doch The Devils Light zeigt als erster nicht nur das Leiden und die Motivation der Opfer, sondern stellt mit einer weiblichen Protagonistin, mit welcher der Zuschauer analog tiefer und tiefer in diese Angelegenheit abtaucht, auch eine alternative und neue und sogar besondere Sicht auf das Thema und dessen Diskurs her. Auch wenn der Film an manch einer Stelle vielleicht ein wenig reißerisch daherkommt und man nicht immer sicher sein kann, dass da wirklich gut recherchiert wurden, widmet er sich dem Thema Exorzismus so differenziert und vielschichtig wie kaum ein anderer Film dieser Art und macht in der Tat Lust, sich noch mehr mit dem Gebiet zu beschäftigen und vielleicht all die Fragen beantwortet zu bekommen, die The Devils Light nicht stellt.
Weitere Informationen:
Titel: The Devil's Light
Regie: Daniel Stamm
Buch: Robert Zappia
Musik: Nathan Barr
Produktionsjahr : 2022
Produktionsland: USA
Genre: Horror
FSK: 16
Dauer : 93 Minuten
Ab 3.11.2022 im Kino
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