Eine Prinzessin findet ihr verlorenes Glück

ÄSTHETISCH- VERTRÄUMT INSZENIERTES META-MÄRCHEN

Filmkritik "König Drosselbart"


Beim Stichwort „tschechoslowakische Märchenfilmklassiker“ denkt praktisch jeder sofort an „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, den Märchen-Kultfilm, der hierzulande seit vielen Jahren ein festes Ritual für viele Märchenfans in der Vorweihnachtszeit darstellt. Auf praktisch allen dritten Kanäle wird er in Deutschland „rauf und runter gespielt“, so dass viele Fans mittlerweile wahrscheinlich die Dialoge mitsprechen und jedes Detail der Ausstattung kennen müssten.

Neben der Sowjetunion und den DEFA- und UFA-Märchenadaptionen im geteilten Deutschland hat sich ab den 1950er Jahren insbesondere die damalige CSSR als Produzent international beachteter Märchenfilmproduktionen hervorgetan und die ein oder andere Perle ihrer Gattung hervorgebracht, bisweilen neben dem oben genannten Genre-Giganten leider verhältnismäßig wenig beachtet. Eine davon ist ohne Zweifel „König Drosselbart“ oder „Eine Braut für König Drosselbart“ (1984, Regie: Miroslav Luther, im Original: Král Drozdia Brada), basierend auf Motiven des gleichnamigen Märchens der Gebrüder Grimm und dem Kunstmärchen Bestrafter Stolz von Božena Němcová.

 

Überall im Land erzählt man sich die Geschichte der verwöhnten Prinzessin Anna (Adriana Tarábková). Kein Freier ist ihr gut genug und sie macht sich und ihren Vater König Matthäus (Gerhard Olschewski) damit zum Gespött, wenn sie die Herren, die um ihre Hand anhalten bei der Brautschau vor dem ganzen Hof durch ihre Kommentare lächerlich macht.

Diese Geschichte ist nun auch ins benachbarte Reich vorgedrungen, wo sie von einer Schauspielertruppe als Possenspiel vor König Michael (Lukáš Vakulík) und seiner Mutter, Köngin Maria (Maria Schell) bei einem Fest aufgeführt wird. Michael will, erschüttert über die groteske und übertriebene Darstellung der Prinzessin, nicht glauben, dass die Behauptungen über sie der Wahrheit entsprechen und besucht sie selbst. Nachdem Micheal von Anna wegen seines Bartes verspottet wird und somit am eigenen Leib erfährt, dass die Gerüchte wahr sind, beschließt Annas Vater der Tochter eine Lektion zu erteilen, indem er sie mit dem ersten Bettler verheiratet, der über die Schwelle der Burg tritt. Nachdem das geschehen ist, wartet auf Anna ein Alltag voller Entbehrungen, dass sie lehren soll, worauf es im Leben wirklich ankommt. Sie wird nach und nach Figur in einer Inszenierung, in die alle eingeweiht zu sein scheinen, außer ihr selbst ...

 

Inmitten malerischer Mittelgebirgslandschaften in verträumt gedämpften Farben und unterlegt mit spätmittelalterlicher Flötenmusik des Musikers und Komponisten Jiří Stivín wurde mit "König Drosselbart" ein Märchenstoff nicht nur einfach verfilmt, sondern in eine Form des Diskurses der Theaterformen und der frühen Medienmanipulation auf einer Metaebene geführt. Gemäß dem Motto „Die Welt ist eine Bühne“ bemerkt auch König Michael: „Das Theater hilft den Menschen seit ewigen Zeiten ihr verlorenes Glück wieder zu finden“ und möchte so auch Anna dabei helfen ihr Glück zu finden. Der Film greift dabei in Form einer „Mise en abyme“-Struktur Elemente eines Besserungsstückes und Lehrtheaters auf und bedient sich dabei der Idee der mittelalterlichen Simultanbühnen mit Festspielcharakter genauso wie einer frühen Form der Medienmanipulation wie sie später Reality-Shows oder versteckte Kamera-Formate aufgreifen. Anna, deren Wandlung dramaturgisch sowie schauspielerisch überzeugend in die Wege geleitet wird, ist, bis sie am Ende ausreichend geläutert in das Spiel eingeweiht wird, Protagonistin einer „märchenhaften“ Truemanshow (!), zumindest aus Sicht des Filmrezipienten, der den Moralgedanken des Märchens auf eine fast schon psychologische und sich selbst thematisierende Ebene erlebt. Herausgekommen ist mit diesem preisgekrönten Film nicht nur eine bezaubernde Nacherzählung des klassischen Märchens, sondern auch eine künstlerisch beeindruckende Auseinandersetzung mit dem Thema Theater.


Symbolbild©pixabay/dbreen
Symbolbild©pixabay/dbreen

Weitere Informationen:

Titel: König Drosselbart (Original: Král Drozdia Brada)

Regie: Miloslav Luther

Buch: Miloslav Luther, Milos Ruppelt, Tibor Vichta

Produktionsjahr : 1984

Produktionsland (ČSSR, Deutschland)

Genre: Märchen

FSK: 16

Dauer: 98 Minuten

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