„Was für eine Nacht, ich war auf mehr    Schößen als eine Serviette.“

Der Musicalfilm zwischen Unterhaltung und Gesellschaftskritik der Drogen nicht nicht verharmlost

Filmkritik "Kifferwahn"


Die Musikkomödie „Kifferwahn“ (2005, Regie: Andy Fickman) im Original „Reefer Madness“ basiert gleich auf zwei Vorlagen. Zum einen auf dem gleichnamigen Musical und zum anderen auf dem gleichnamigen Exploitations-Film, einem US-amerikanischen Anti-Cannabis-Film aus dem Jahre 1936. An Letzterem orientiert der Film sich grob, wandelt jedoch alle tragischen Elemente in absurde Komik um, während Kifferwahn als Musicalfilm lediglich die TV-Adaption der Bühnenvariante darstellt.

 

In Form einer Rahmenhandlung werden die Bewohner einer amerikanischen Kleinstadt in den 1930er Jahren zu einer Informationsveranstaltung über die Gefahren des Rauchen von Marihuana für ihre Kinder im Teenager-Alter eingeladen. In Form eines Filmes erzählt er ihnen anhand der „wahren“ Geschichte des jungendlichen Liebespärchens Mary Lane (Kristen Bell) und Jimmy Harper (Christian Campbell), zweier „gesunder gottesfürchtiger Amerikaner“ von der „Plage der Neuzeit“/“bösartigen Rauschgift“/ „Feind“ (Cannabis) und deren fatale Auswirkungen auf deren Leben. Da werden zum einen die heile pastellfarbene Highschool-Welt aus Comics und Milchshakes mit ihrer vor tumber Teeny-Lebensfreude und Vitalität überschäumenden Tanznummer in der Sodabar vorgestellt und zum anderen die Welt der Sünde, die mit ihren dunkeln Holz, den staubigen Sepiatönen und ihrem Jazzsoundtrack rein farblich, ästhetisch und musikalisch in den wilden 20ern Jahren hängengeblieben zu sein scheint und sich auf ein heruntergekommenen Haus beschränkt in dem regelmäßig zügellose Orgien mit Marihuana und zügellosen Damen in Spitzennegligées abgehalten werden und in die der zwielichtige und sadistische Dealer Jack Stone versucht, Jimmie hineinzuziehen, indem er diesem in der Milchbar auflauert, ihn in sein Haus lockt um ihm dort mit Hilfe der ebenfalls abhängigen Prostituierten Sally DeBanis () zu einer Cannabis-Zigarette zu verführen. Auch Stones ebenfalls in vielerlei Hinsicht von ihm abhängige Geliebte Mae Coleman (Ana Gasteyer), die er einst als Teenie in der Sodabar mit Haschisch köderte (das ist seine Masche) und mit der er seitdem eine Missbrauchsbeziehung führt, lebt in dieser „Haschischhöhle“. Jimmie rutscht mehr uns mehr ins Milieu ab und als dann auch noch Mary zur Droge von Stones ebenfalls drogensüchtigen „Handlanger“ Ralph Wiley (John Cassir), einem ehemaligen College-Studenten (einer Figur, die entfernt an Riff Raff aus der Rocky Horror Show erinnert) hingeführt wird, endet alles in einer Tragödie ...

 

Bereits das Design der Buchstaben des Filmtitels, die in Rauch aufgehen, lassen erahnen, dass es sich bei „Kifferwahn“ nicht um einen Musicalfilm in „gewöhnlichen“ Sinne handelt, sondern um einen absurden Genremix und eine Parodie auf sehr vielen Ebene.

Die Rahmenhandlung ist in schwarz-weiss gehalten, während der eigentliche Film in Farbe ist und durch die ebenfalls ein Erzähler(Alan Cumming) führt, der in verschiedenen Rollen die Szenen verbindet, getarnt als Bewohner der fiktiven Gemeinde in verschiedenen Rollen und von demselben Darsteller gespielt wird, wie der Redner des Infoabends. Bereist in dieser ersten Sequenz gibt es die erste Musicalnummer mit Kiffer-Zombies, die die Schule heimsuchen und zerlegen, während die Info-Veranstaltung abgehalten wird, das das ganze bereits am Anfang auf eine etwas surreale Ebene hebt. Selbstverständlich ist „Kifferwahn“ auch in seiner Innenhandlung geradezu gespickt mit eingängigen und beschwingenden Song-Nummern, die sich im ausgewogenen Verhältnis mit der Rezitativhandlung abwechseln, ganz wie es sich für einen Musicalfilm gehört. Dabei wurde weder bei Ausstattung, noch Komposition, noch Professionalität der Durchführung gespart und insbesondere bei den exakt durchchoreografierten Revuenummer nicht gekleckert, sondern geklotzt. So gibt es nicht nur eine fetzige Tanznummer unter den Teenies im Five and Dime oder die Zombie-Revue inklusive Freddie-Krüger-Referenz in der „Haschischhöhle“ die Ralph im Rausch fantasiert, sondern auch ein Liebesduett im Garten in dem mit Shakespeare und der „elisabethanischen“ Sprache gespielt wird oder die Emanzipation Maes von Dealer John in Form einer kraftvollen Solo-Nummer.

Doch gerade auch auf der surreal inneren Ebene, wenn beispielweise das Gefühl des Drogenrausches aus Jimmies Sicht visualisiert wird in Form einer exotischen Revue in einem Plastikdschungel wo ein dionysischer Satyr namens Moloch ihm sein „Ticket zum Baccanal" aushändigt, während er in der Realität planlos durch seine Schule schwankt oder die Verführung Marys, die in einer humoristisch-übertriebenen BDSM-Orgie- natürlich musicalkonform!- mündet. Ein ,wenn nicht gar das Highlight des Film ist der „Club der Seeligen“, eine Revue im Himmel, bei der Jimmie zurück zu Jesus (Robert Torti), der als „Stargast“ des Abends ebenfalls ein Sänger und Tänzer inmitten eines Bataillon singender Engel ist und Jimmie zurück auf den rechten Weg und zurück zur Herde bringen soll („Lass dich doch lieber von Gott anturnen“), einer Erscheinung, die Jimmie übrigens erlebt, während er in der Kirche Weihrauch (!) und Gold stehlen will. Am Ende gibt es in Form einer abschließenden Massenszene noch ein persiflierter republikanisches Ideologieinferno und es wird klar, dass der Joint nur ein Symptom oder ein Stellvertreter für all die liberalen Gefahren sind, die das Land bedrohen.

Musikalisch, textlich und dramaturgisch sehr gut verwebt sind nicht nur die Elemente und Ebenen des Film, sondern auch die zahlreichen Spitzen (Kommunistenverdacht, Bibel statt Shakespeare, die „Nationalhymne von Sodom und Gomorrha“ inklusive absurder Orgie aus Sex und Klavierspiel), von denen nicht wenige sich aufgrund ihrer Absurdität weit abseits politischer Korrektheit befinden (allen voran die Wahrheit über den Jazz: „Die Haschisch-rauchende Nougatbande gibt sich nur als Musiker aus, in Wahrheit sind die Agenten des Bösen. Wie diese Musik gespielt wird, gibt es auch Marihuana.“). So versteckt sich in „Kifferwahn“ eine volle parodistische Breitseite gegen das konservative republikanische Amerika, die über weite Strecken aber nichts weiter tut, als die Vorurteile eines liberalen Publikums zu bestätigen.


Symbolbild©pixabay/ geralt
Symbolbild©pixabay/ geralt

Weitere Informationen:

 

Titel: Kiffer-Wahn (Original: Reefer Madness: The Movie Musical)

Regie: Andy Fickman

Buch:  Kevin Murphy, Dan Studney

Musik: David Manning,Nathan Wang

Produktionsjahr : 2005

Produktionsland : USA

Genre: Musicalfilm

FSK: 12

Dauer: 112 Minuten

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