Der Horror des weiblichen Körpers

"Das erste Omen" und "Immaculate" im Vergleich

Filmkritik zum Thema Horror der Geburt


Das erste Omen

Als ich damals (am 6.6.) im Jahr 2006 die Neuverfilmung John Moores von Das Omen im Kino sah, ging mir ein Satz nicht mehr aus dem Kopf („Ich sah seine Mutter. Seine Mutter war ein Schakal“) und als ich die Szene des geöffneten Grabes mit dem Schakal-Skelett darin und der Tatsache, dass es sich laut Grabinschrift auch noch um einen Schakal mit dem Namen Maria (Scianna) handelte, dann sah, lief es mir nicht nur kalt den Rücken herunter, sondern ließ mich auch noch lange danach fieberhaft überlegen, wie das denn vonstattengehen und vor allen AUSSEHEN soll, wenn der (Teufel oder wer auch immer?) sich mit einem Schakal paart …

Als ich dann erfuhr, dass kürzlich die Vorgeschichte dieses Films bzw. dessen Prequel verfilmt wurde, fielen mir meine Überlegungen von vor fast 20 Jahren wieder ein und ich war Feuer und Flamme zu erfahren, wie denn nun eventuell diese Schakal-„Paarung“ inszeniert wird ebenso wie auf andere Aspekte dieser Vorgeschichte. Die Fragen stellte sich wohl auch Arkasha Stevenson, die mit Das erste Omen in diesem Jahr ihr Regiedebüt mit einem Spielfilm feiert und sich mit diesem Film auch einen persönlichen Traum erfüllte, nachdem sie das erste Mal den Klassiker von 1976 gesehen hatte.

An dem orientiert sich „Das erste Omen“ schon auf den ersten Blick sehr stark, indem der Film neben einigen der ikonischen Regieideen für die Schockmomente auch insgesamt eine Bildsprache und Atmosphäre wählt, die eine visuelle Qualität offenbart, die dem Zuschauer das Gefühl gibt, der Film wäre auf analogem Material und nicht digital gedreht.

So fügt sich das Prequel auf jeden Fall schon einmal optisch geschickt an den Anfang der Reihe an.

 

Rückwirkende Kontinuität oder Logikfehler?

 

Nachdem der Sohn des Teufels unter derartig unheimlichen Umständen geboren wurde, liegt es nahe, zeigen und erklären zu wollen, wie es zu dieser Zeugung (Teufel mit Schakal) und der Geburt des Antichristen gekommen ist.

Indem der Film aber die Mutter des Kindes zu einem Menschen macht und damit die Ursprungstheorie des Antichristen Damiens verändert, greift er durch diese geänderte Theorie grundlegend in die rückwirkende Kontinuität der Geschichte ein. Der so erzeugte Logikfehler beantwortet dann eben nicht nur nicht die Frage der Herkunft, die sich aus dem ersten Film ergibt, sondern schafft die Grundlage für neue Handlungsmöglichkeiten in Ergänzung zu den bereits etablierten. Das kann man dann so oder so sehen.

Das ist dann aber tatsächlich einer der wenigen, wenn nicht sogar der einzige „Minuspunkt“ des ganzen Films, denn Das erste Omen schafft es tatsächlich von der ersten Minute an zu fesseln und auf ganzer Linie zu überzeugen.

 

Inhalt des Films „Das erste Omen“

Der Film erzählt die Geschichte der jungen Novizin Margaret Daino, genannte Maggy (Nell Tiger Free), die 1971 nach Rom kommt, um dort ihre Gelübde abzulegen. Da sie seit ihrer Geburt ein Mündel der Kirche ist, ist ihre Herkunft ungewiss. In Rom angekommen, wird sie dort für die Arbeit in einem Waisenhaus eingesetzt. Obwohl Roms seinerzeit von Studenten-Unruhen überschattet wird, fühlt sie sich in ihrer neuen Umgebung von Beginn an wohl und lebt sich anfangs gut in die Gemeinschaft ein. Nach und nach fallen Maggy aber mehr und mehr unangenehme und verstörende Dinge auf (insbesondere in Bezug auf den Umgang der Nonnen mit einem Mädchen namens Carlita Scianna, für das sie sich von Beginn an verantwortlich fühlt) und sie kommt Stück für Stück mithilfe des exkommunizierten Priesters Father Brennan (der auch in „Das Omen“ Damiens Vater über dessen vermeintlichen Sohn aufklärt; hier gespielt von Ralph Ineson) einer unheimlichen Verschwörung auf die Spur, mit der sie am Ende mehr zu tun hat, als sie zu Beginn auch nur ahnt.

 

Kritik

Neben dem Sounddesign samt ikonischem Soundtrack (Musik: Mark Korven) schafft das subtile Einweben unangenehmer und beklemmender Momente in eine anfangs noch heile Welt, die sukzessive zerstört wird, je tiefer Hauptfigur und Zuschauer hinter die Kulissen des Klosters blicken, eine sich langsam und gleichmäßig aufbauende Spannung in der Merkwürdigkeiten und (vermeintliche) Normalität geschickt ineinander verwoben werden.

Was die Effekte und Stilmittel des Films angeht, so wartet „Das Erste Omen“ mit einer guten Mischung aus -wohl dosierten - Splatter-Momenten und verstörendem Body-Horror-Szenen auf, die durch das überzeugende körperliche Spiel der Hauptdarstellerin ergänzt werden. Jump-Scares werden wohldosiert und unterstützend, statt dominierend eingesetzt.

Uneingeschränkte Empfehlung und auch für mich einer der besten Horror-Filme seit langem und eine überaus gelungene Ergänzung zum Omen-Franchise insgesamt.

 

Immaculate

 

Einleitung und Inhalt

Ein weiterer aktueller Horror-Film, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Geburt und den weiblichen Körper derart drastisch darzustellen, ist ein Film mit dem etwas sperrigen/holprigen Titel „Immaculate“ (2024, Regie: Michael Mohan), zu Deutsch „unbefleckt“, angelehnt an die Unbefleckte Empfängnis Marias (Mariä Empfängnis). Dieser Film thematisiert ebenfalls den Horror der Geburt und was dem weiblichen Körper hinzugefügt wird, jedoch geht es bei Immaculate nicht um die Geburt des Antichristen, sondern um die eines neuen Erlösers. Auch hier reist eine junge amerikanische Nonne nach Italien, um in einem dortigen Kloster ihre Gelübde abzulegen, nur dass es sich bei der Arbeit, die sie verrichten soll, nicht um die Betreuung von Kindern handelt, sondern um den Dienst in einer Art Pflegeheim für die alten und kranken Schwestern des Konvents, der über den Katakomben einer alten Kirche errichtet wurde. Obwohl auch Cecilia, wie die junge Nonne im Film heißt (Sydney Sweeney) ihre Zeit dort von Beginn an als angenehm empfindet und zu diesem Zeitpunkt noch nichts auf eine etwaige Gefahr hindeutet, erlebt sie die bisweilen unheimliche Atmosphäre des Klosters bei Nacht, bekommt aber schnell Erklärungen mit denen sie sich (vorerst) zufriedengibt und auch sie lebt sich schnell ins Klosterleben ein. Alles ändert sich, als Cecilia unerwartet schwanger wird und da man ihr glaubt, dass ihre Empfängnis unbefleckt war, gilt diese als Wunder und Cecilia wird als Jungfrau Maria inszeniert und gefeiert, weil sie den Erlöser gebären soll.

Nach dem Selbstmord einer Nonne (wieder eine Parallele zu Das erste Omen und weiteren unheimlichen Zwischenfällen wird Cecilia misstrauisch und kommt einer Verschwörung auf die Spur. Als ihr klar wird, was hinter verschlossenen Türen passiert, versucht sie zu fliehen und riskiert dabei ihr Leben …

 

Kritik und Abgrenzung zu „Das erste Omen“

Genau wie viele Horrorfilme, die sich mit Klöstern, Exorzismen oder der dunklen Seite des Katholizismus im Allgemeinen beschäftigen, ist auch in Immaculate die Protagonistin des Films eine Nonne, die hinter Klostermauern nicht etwa Erleuchtung, sondern das Grauen vorfindet.

Anstatt mit Dämonen, dem Leibhaftigen persönlich oder wie in Das Omen dem Antichristen, soll dieser hier nicht wie in Das erste Omen von der Nonne geboren werden, sondern der Erlöser. Damit ist tatsächlich Jesus Christus gemeint, denn ein fanatischer Priester (Álvaro Morte), der auch Genetiker ist, hat es geschafft, dessen DNA aus einem der Nägel, mit denen Jesus gekreuzigt wurde, zu extrahieren. Bisher schlugen jedoch alle Experimente, einen neuen Erlöser zu gebären, fehl und auch Cecilia sieht in diesem Vorhaben alles andere als den Willen Gottes.

 

Hält nicht, was er verspricht und ihm geht die Puste aus

 

Immaculate hat sich mit einer wirklich originellen Geschichte ein ehrgeiziges Ziel gesetzt und schafft es auch, mit einer wirklich spannenden und stimmungsvollen Einstiegsszene große Erwartungen zu schüren, die er im Laufes des Fortschreitens der Handlung nicht vollends zu erfüllen in der Lage ist. Zwar gelingt es dem Film, über einen wirklich langen Zeitraum mithilfe einer beklemmenden Atmosphäre, untermalt durch geheimnisvolle Musikeinspieler (Musik: Will Bates ), einen soliden Spannungsboden aufrechtzuerhalten, gibt einem aber, nachdem der Höhepunkt der Handlung erreicht wurde, das Gefühl, als müsste man jetzt völlig übereilt und holprig dem Ende entgegeneilen. Alles Wichtige wurde ja erzählt und die einzige noch offene Frage ist nun, ob die hochschwangere Cecilia wirklich einen Erlöser gebiert oder auch wie all ihre Vorgängerinnen in Folge dieses Genexperiments ein extrem missgestaltetes Kind. Nachdem sie sich mittels einiger äußerst brutaler Splatter-Morde ihrer Widersacher entledigt hat, irrt sie durch die Katakomben des Konvents, wird in einen finalen Kampf verwickelt, kann sich am Ende befreien, gebiert unter freiem Himmel das Kind und tötet es ebenfalls. Wie dieses Kind aussieht, wird nicht gezeigt.

 

Eher Psychothriller als Horror

 

Was beginnt wie ein spannender und stimmungsvoller Horror-Film, entwickelt sich im Laufe der Zeit immer mehr zu einem Psychothriller inklusive übertrieben effekthascherischer Splatter- und Gore-Orgie mit unbefriedigendem Ende. Die Idee, mit der der Film spielt, ist nicht uninteressant, wird aber meiner Meinung nach nicht zufriedenstellend ausgearbeitet und erzeugt den Eindruck, als möchte Immaculate zu viel von allem sein. Zwar entscheidet der Film sich dagegen, ein Jump-Score Gewitter zu sein, kann aber mit seinem „Konkurrenten“ (Das erste Omen) in puncto Spannung und Atmosphäre leider nicht mithalten, auch wenn Sydney Sweeney am Ende zumindest schauspielerisch das Grauen ihrer Situation für den Zuschauer mehr als überzeugend spürbar macht.

Fazit

Zwei junge amerikanische Nonnen, die in Italien ihre Gelübde ablegen wollen, zwei unheimliche Schwangerschaften mit völlig unterschiedlichen Intentionen und Ausgängen und zwei Verschwörungen, die beide auf ihre Weise ein unangenehmes Licht auf die Katholische Kirche und den christlichen Glauben werfen. Das erste Omen und Immaculate sind sich auf den ersten Blick zu ähnlich, als dass ein Vergleich sich nicht anbieten würde, zumal beide Filme auch noch zur gleichen Zeit erschienen sind.
Dennoch: Während Das erste Omen irgendwie alles richtig macht, wird aus Immaculate bis zum Schluss kein richtiger Horrorfilm, sondern bestenfalls ein mittelmäßiger Psychothriller ohne Grusel und völlig ohne übernatürliche Elemente. Das FSK 18 holt der Film sich dann über ein trashiges Gemetzel in der letzten Viertelstunde. Auch Immaculate ist sehenswert, aber mit Das erste Omen kann er meiner Meinung nach nicht mithalten.


Symbolbild©pixabay/IzabellArt
Symbolbild©pixabay/IzabellArt

Weitere Informationen:
Titel:   Das erste Omen  (Original: The First Omen)
Regie: Arkasha Stevenson
Buch: Tim Smith, Arkasha Stevenson, Keith Thomas
Musik: Mark Korven           
Produktionsjahr : 2024
Produktionsland: USA, Italien
Genre: Horror
FSK: 16
Dauer : 120 Minuten
Kinostart 11.4.24

Symbolbild©pixabay/efes
Symbolbild©pixabay/efes

Weitere Informationen:

Titel: Immaculate (Original: Immaculate)

Regie: Michael Mohan

Buch: Andrew Lobel

Musik: Will Bates

Produktionsjahr : 2024
Produktionsland: USA, Italien
Genre: Horror
FSK: 18
Dauer : 89 Minuten
Kinostart: 4.4.24


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