Ein guter historischer Film ist wie ein Gemälde: Er zeichnet ein Bild der Zeit in der er spielt, schmückt die Geschichte aus wie ein Maler eine Landschaft malt, sodass der Zuschauer durch die
Farbe den Geist der Epoche zu erleben vermag, so, als schaute er durch einen Rahmen direkt in die Vergangenheit.
Bright Star (2009), ein Melodram der neuseeländischen Filmregisseurin Jane Campion („Das Piano“) über die letzten drei Lebensjahre des britischen Dichters John Keats, einem der
bedeutendsten Vertreter der zweiten Generation der englischen Romantik neben Byron und Shelley und später auch von Oscar Wilde verehrt, und dessen Liebe zu Fanny Brawne, einem Mädchen aus gutem
Hause, die als seine Muse galt und ihn zu einigen seiner späten Gedichte inspirierte. Diese Gedichte, gelesen von einer Off-Stimme und der Briefwechsel zwischen den Liebenden geben dem Film, der
aus der Sicht Brawnes erzählt wird, seine äußere Struktur.
Inhalt
Im Jahr 1818 begegnen sich Fanny Brawne (Abbie Cornish) und John Keats (Ben Whishaw) in Hampstad Village bei London bei einer Abendgesellschaft. Sie soll ihn kennenlernen, denn er und seine
polarisierenden Gedichte sind Thema bei allen Gesellschaften und Tänzen der Gegend. Auf den ersten Blick scheinen die selbstbewusste Fanny, deren Leidenschaft das Entwerfen und Nähen
extravaganter Biedermeier-Mode ist und der sensible Keats nicht viel gemeinsam zu haben („Er sieht mich nur als kleines Kleiderpüppchen“), verstehen sich aber von Beginn an, nachdem Fanny sich
ein eigenes Bild von dem Dichter und dessen Werk gemacht hat. Über Fannys Interesse an Keats Arbeit kommt es bald zu regelmäßigen Besuchen und langsamen Annäherungen, die sowohl bei Keats
Dichterkollegen und Freund Mr. Brown (Paul Schneider), der meint, dass sie Keats Arbeit nicht gut tut, als auch bei Fanny Mutter (Kerry Fox), die auf die gesellschaftliche Problematik der
Verbindung aufmerksam macht („Er hat weder Geld noch Einkommen“, „Mr. Keats weiß, dass er dich nicht mögen darf“) auf Skepsis stoßen. Dennoch kommen sich Miss Brawne und Keats bei vielen Besuchen
und „Poesie-Unterrichtsstunden“, die stets in Anwesenheit von Fannys Geschwistern stattfinden, und den Besuchen bei Fannys Familie, die mit der Zeit ebenso eine Zuneigung zu dem jungen Mann
entwickeln, stetig näher und entwickeln mit der Zeit tiefe romantische Gefühle füreinander. Auch am Schicksal von Keats Bruder Tom (Olly Alexander) und dessen Tod nimmt Fanny Anteil.
Die Annäherung geht langsam von Statten, im Einklang mit dem Tempo des Films: Am ersten gemeinsamen Weihnachten die erste Berührung heimlich unter dem Tisch, als sie viel später das erste Mal
allein sind, nachdem sich beide von einer Picknickgesellschaft davongestohlen haben dann der erste Kuss; Toots, die kleine Schwester Fannys (Edie Martin) verhindert auch hier Schlimmeres. Als Mr.
Keats und Mr. Brown dann bei Fannys Familie in die andere Haushälfte ziehen um dort zu leben und zu arbeiten, wird Keats fast Teil der Familie, obwohl ihn und Fanny weiterhin Wände und Stände
trennen. Auch die Skepsis bezüglich dieser Nähe verdichtet sich. So ist Mr. Brown fest davon überzeugt Fanny schade Keats Arbeit und die Gesellschaft und die Familie sind besorgt, dass Fanny
durch die Nähe zu Keats andere Verehrer und potentielle Heiratskandidaten in die Flucht schlägt. Die Verliebten durchleben Höhen und Tiefen, je nachdem, ob sie getrennt sind oder sich sehen
können. Ein Wendepunkt ist die Rückkehr Keats von einer seiner Reisen, bei der er sich unterkühlt hat. Als sein Gesundheitszustand sich wegen der Tuberkulose-Infektion stetig verschlechtert,
willigt Keats auf Drängen seiner Freunde ein, zur Kur nach Italien zu fahren. Er und Fanny sind sich aber bewusst, dass es nicht unwahrscheinlich sein wird, dass er nicht lebend wieder zurück
kehrt. Unter diesen tragischen Umständen erlaubt nun auch Fannys Mutter die Verlobung. Nach einem traurigen und bittersüßen Abschied erfahren Fanny und ihre Familie einige Zeit später in einem
durch Mr.Brown überreichten Brief die Hiobsbotschaft und Fanny erleidet einen Zusammenbruch. In der letzten Szene des Films ist Fanny gerade mit dem Nähen ihres Trauerkleides fertig geworden,
schneidet sich die Haare ab und läuft hinaus in den Nebel der Heide, Keats Gedichte auf den Lippen und auch hier bewacht von ihrem kleinen Bruder Samuel (Thomas Brodie-Sangster).
Fazit
Wie ein tragischer Jane- Austen-Roman erzählt Bright Star die Liebesgeschichte eines Dichters und seine Muse, deren gegenseitige Liebe aufgrund diverser Widrigkeiten wie der
anfänglichen Aversion Mr. Browns und der Sorge von Fannys Mutter niemals Alltag werden konnte, eingebettet in ein ruhiges (früh-)romantisches Setting auf der Folie eines pittoresken
Biedermeier-(Sitten-)Gemäldes, angereichert durch schöne Worte und einer bisweilen etwas exaltierten Sprache. Einen sich ergänzenden Gegensatz bilden hier die bürgerliche Gesellschaft mit ihren
Konventionen in Form von Einblicken in das Alltagsleben (wie den Tanzunterricht der Geschwister im Hause Brawne oder die Schmetterlingsmanie Fannys, die deren launische Gefühle spiegelt) und die
Natur als Sehnsuchtsort, gespiegelt auch in den Gedichten, wo die Protagonisten bei Spaziergängen und Picknicks verspielte und ungezwungenere Momente erleben; genauso wie sich die Leidenschaften
Fannys und Keats’- Mode und Dichtung - eher ergänzen als bekämpfen. Bright Star ist ein Film der leisen Töne, gespiegelt in den verwaschenen Farben der Bilder, in dessen Tragik stets Leichtigkeit
mitschwingt, der niemals in Kitsch und Pathos abdriftet, der selbst im Drama noch überhöht und kunstvoll agiert und selbst das Allzumenschliche nicht profan zeigt, sondern es auf eine
hochpoetische Ebene hebt („Berührte Haut erinnert sich“). Egal, ob das sogenannte Feuilleton diesem Film seinen selbsternannten kulturell wertvollen Arthouse-Stempel aufdrücken würde:
Bright Star ist wahre Kunst.
Weitere Informationen:
Titel: Bright Star – Meine Liebe. Ewig oder Bright Star – Die erste Liebe strahlt am hellsten (Original: Bright Star )
Regie: Jane Campion
Buch: Jane Campion
Musik: Mark Bradshaw
Produktionsjahr : 2009
Produktionsland : Großbritannien, Australien, Frankreich
Genre: Melodram, Liebesfilm, Historienfilm
FSK: 6
Dauer : 119 Minuten
Hier zu beziehen
© 2017-2024 Was-ein-Theater
Impressum
Dieser Blog ist ein periodisch erscheinendes publizistisches Angebot von:
Linda Stederoth
http://www.was-ein-theater.jimdofree.com/
Kontakt/E-Mail: was-ein-theater@web.de
Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 5 TMG, § 55 RfStV: Linda Stederoth
Disclaimer
Haftungshinweis: Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle übernehme ich keine Haftung für die Inhalte externer Links. Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich deren Betreiber verantwortlich.
Haftung für Inhalte
Als Diensteanbieter bin ich gemäß § 7 Abs.1 TMG für eigene Inhalte auf diesen Seiten nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Nach §§ 8 bis 10 TMG bin ich als Diensteanbieter jedoch nicht verpflichtet, übermittelte oder gespeicherte fremde Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.
Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen bleiben hiervon unberührt. Eine diesbezügliche Haftung ist jedoch erst ab dem Zeitpunkt der Kenntnis einer konkreten Rechtsverletzung möglich. Bei Bekanntwerden von entsprechenden Rechtsverletzungen werde ich diese Inhalte umgehend entfernen.
Haftung für Links
Mein Angebot enthält Links zu externen Websites Dritter, auf deren Inhalte ich keinen Einfluss habe. Deshalb kann ich für diese fremden Inhalte auch keine Gewähr übernehmen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seiten verantwortlich. Die verlinkten Seiten wurden zum Zeitpunkt der Verlinkung auf mögliche Rechtsverstöße überprüft. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar.
Eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten ist jedoch ohne konkrete Anhaltspunkte einer Rechtsverletzung nicht zumutbar. Bei Bekanntwerden von Rechtsverletzungen werde ich derartige Links umgehend entfernen.
Urheberrecht
Die durch den Seitenbetreiber erstellten Inhalte und Werke auf diesen Seiten unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung des jeweiligen Autors bzw. Erstellers. Downloads und Kopien dieser Seite sind nur für den privaten, nicht kommerziellen Gebrauch gestattet.
Soweit die Inhalte auf dieser Seite nicht vom Betreiber erstellt wurden, werden die Urheberrechte Dritter beachtet. Insbesondere werden Inhalte Dritter als solche gekennzeichnet. Sollten Sie trotzdem auf eine Urheberrechtsverletzung aufmerksam werden, bitte ich um einen entsprechenden Hinweis. Bei Bekanntwerden von Rechtsverletzungen werde ich derartige Inhalte umgehend entfernen.
Diese Webseite wurde mit Jimdo erstellt! Jetzt kostenlos registrieren auf https://de.jimdo.com