MachinaeX Lockdown&Homecoming - ein Corona-Extra (virtuelles Theater)


Partizipatives Game-theater für die isolation


Symbolbild©pixabay/11333328
Symbolbild©pixabay/11333328

Aus der Not eine Tugend machen Machina Ex, ein 7-köpfiges Medientheaterkollektiv, das seit 2010 an der Schnittstelle von Theater und Computerspiel forscht. In ihren Produktionen kombinieren sie moderne Technologien mit Mitteln des klassischen Illusionstheaters und schaffen so immersive, virtuell reale und somit spielbare Theaterstücke, die zugleich begehbare Computerspiele sind. Diese Mischform macht ein reales körperliches Zusammensein schon einmal per se nicht nur nicht nötig, sondern erst gar nicht möglich, ist doch der virtuelle Raum der des Zusammentreffens der Spieler, im Prinzip wie bei bsw. einem Online-Multiplayer, wo Spielende unabhängig vom Standort ihres Endgerätes auf ein und derselben virtuellen Oberfläche in Form ihres jeweiligen Avatars miteinander agieren.

Als kriseninspirierte Spontanproduktion über den alltäglichen Ausnahmezustand und das Zusammensein in der Zeit der Isolation reflektieren die partizipativen „Game-Theater“-Stücke auch auf inhaltlicher und sujetbezogener Ebene die Pandemie und ihre Folgen für Mensch und Theaterbetrieb.

Mit Lockdown im Frühjahr 2020 und Homecoming in Herbst diesen Jahres sind zwei sogenannte kooperative „Wohnzimmer-Games“ im Spielplan des Forum Freies Theater Düsseldorf (FFT) zu erleben gewesen, einem Theater, das ohnehin dafür bekannt ist, für ein Programm an der Schnittstelle von Theater, Performance, Tanz, bildender Kunst und Musik zu stehen. Hier ein Gegenüberstellung beider Produktionen.


lockdown


  • Fand im Frühjahr 2020 im Rahmen von ON/LIVE 2020 an sechs Terminen an vier Tagen hintereinander statt und wurde durch einen kurzen Filmtrailer angekündigt, der einen Radfahrer inmitten einer urbanen Kulisse, untermalt von Electro-Sound, zeigte.
  • Durch einen rechtzeitig per SMS angeforderten Zugangscode konnte man sich kostenlos am Spiel beteiligen und sich für die gewünschte Vorstellung anmelden. Die Begegnungen der Spieler untereinander und der Moderatoren fanden in der mobilen Version der Telegram-App statt. So wurde „das Smartphone zur Bühne und das Sofa zum Spielfeld“.
  • Der Plot sah vor, dass das Publikum in die Rolle von WG-Mitgliedern schlüpft, die ihre verschwundene Mitbewohnerin suchen und zwar in Form einer virtuellen Schnitzeljagd bzw. Spurensuche mittels Chats, Anrufen und Nachrichten, mit denen die Spieler die Geschichte maßgeblich mitbestimmen konnten.
  • Im Anschluss an die Vorstellung bzw. das Spiel gab es die Angebot an die Teilnehmenden sich bei einem Meeting auf einer anderen Messenger-App (Jitsi) auszutauschen.

homecoming


  • Fand vom 10.10. bis 8.11. je 2 Mal pro Tag statt. Insgesamt gab es elf Aufführungen (zwei davon auf englisch) mit einer ungefähren Dauer von 120 Minuten pro Veranstaltung, ein Ticket konnte vorab online gekauft werden
  • Gemeinsam entwickelt mit HAU Hebbel am Ufer, FFT Düsseldorf und Hellerau in Düsseldorf
  • Idee: Zuschauer bleiben gemeinsam zuhause und erleben an diversen Orten des Internets, in Live-Performances und Chat-Verläufen eine Geschichte, deren loser Plot  den Status Quo der Pandemie im Herbst reflektiert in Form einer Art virtueller Schnitzeljagd mit Rätseln und Problemen, die von den Mitspielern gelöst werden müssen, und die extra für das Spiel konstruiert wurden.
  • Der virtuelle Raum, in dem Zuschauer bzw. Mitspieler und Moderatoren-Charaktere aufeinandertrafen, war ein eigens für die Produktion angelegter Chat der Messanger-App Telegram, deren Desktop-Version für die Teilnahem am Spiel vorausgesetzt wurde, ebenso wie ein Telefon und ein Briefkasten. Außerdem mussten im Rahmen des Spiels weitere Websiten besucht werden.


Fazit


Symbolbild©pixabay/Engin_Akyurt
Symbolbild©pixabay/Engin_Akyurt

Mit ihren interaktiven Game-Theater-Produktionen bringen MachinaeX gleich zwei pandemie- und isolationstaugliche Produktionen an den Zuschauer direkt in dessen Wohnzimmer. Unterhaltung, Spiel und Interaktion für die Daheimgebliebenen auf beiden Seiten. Wer Internet hat und einen PC bzw. ein mobiles Endgerät, kann teilnehmen, bei der ersten Produktion sogar kostenlos. Ein Theatererlebnis zwischen der Dating-Suche auf Tinder und der Amazon-Bestellung, eindeutig für eine junge/ "studentische" Zielgruppe.

Ein Austausch findet statt, auch ein gemeinsames Erleben im Rahmen des Spiels und darüber hinaus in anschließenden Chats. Reflektiert wird dabei ausschließlich die Pandemie-Situation, vor allem im Fall von Homecoming, sind die Plots doch von dieser bestimmt und wer ihr eskapistisch entfliehen wollte, ist mit Lockdown und Homecoming eher schlecht bedient gewesen.

Die „Gefahr“, dass durch die Hintertür die ein oder andere soziokulturelle oder politische Diskussion angestoßen wurde, ist wahrscheinlich, aber ich gehe davon aus, dass in erster Linie so zielgruppenorientiert konzeptioniert wurde, wie nur möglich. Da die beiden Produktionen nicht als Stream für die Nachwelt erhalten oder zumindest zugänglich gemacht wurden, ist das "Gametheater" im Fall von MachinaeX zumindest ein transitorisches und in der Zeit einmaliges Aufführungserlebnis im eigentlichen Sinne, auch wenn schon durch die Interaktivität kein klassisches Zuschauer-Akteur-Verhältnis im ursprünglichen Sinne geschaffen wurde.


Weitere Informationen:

 Lockdown & Homecoming

von MachinaeX

am FFT Düsseldorf Spielzeit 2020/21


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