Am 8. Juni 2018 führte die "Compangnie de Deux-Theater in Bewegung" auf ihrer Wanderbühne auf der Marbachshöhe in Kassel eines ihrer Stücke, "Die Glücksgeige", vor großen und kleinen Zuschauern auf.
Im Stil alter Wandertheater in der Tradition der Commedia dell' Arte macht das Duo Freilichtaufführungen auf einem zur Bühne umgebauten LKW.
Es erzählt dabei Geschichten und Märchen voller Humor und Poesie.
Die beiden Schweizer Schauspieler Aline und Martin del Torre spielen geschlechterübergreifend alle Rollen, mehrere Instrumente und beherrschen Akrobatik- und Jonglageeinlagen (Artistik: Szilard Szekely).
"Das Stück "Die Glücksgeige" ist ein humorvolles Gauklermärchen um einen Spielmann, der seine Geige an den Teufel verkauft. Es handelt von der Macht des Geldes, der Kraft der Liebe und von Mut und Freiheit." (Quelle: Flyer)
Bei der Bühne handelt es sich um eine Bühne-in-der- Bühne. Auf diese Weise können im Laufe des Stückes zahlreiche Mise-en-Secènes erzeugt werden. Durch einfachste und geschickte Umbauten und Handgriffe wie das Öffnen von Türen und Fenstern, das Herausholen und Zurückstellen von Kisten oder das Auf-und Zuziehen von Vorhängen werden die Stationen der Reise wie Landstraße, Wirtshaus, Schmiede, Vatikan und weitere dargestellt. Man merkt, dass dieses Konzept mit sehr gut durchdacht und geplant wurde und sich für Wanderbühnen genauso eignet wie für die IKEA-Einraumwohung. Es ist wirkungsvoll und bringt den Zuschauer zum Staunen.
Und wie man sieht, kann man auch durch ein einfaches Schild einen Ortswechsel vollziehen. Das wusste schon Berthold Brecht. Einfach episch!
Genauso genial wie einfach verhält es sich mit den beweglichen bzw. getragenen Teilen der Bühnenausstattung: Requisiten und Kostüme. Nach dem platzsparenden IKEA-Einraumwohnungs-Prinzip teils in den auf-und zuklappbaren Elementen des Bühnenbildes versteckt, werden sie beliebig oft herausgenommen und tragen dazu bei, Illusionen von Handlungs- und Charakterwechseln zu erzeugen. So spielt Martin del Torre durch den Wechsel eines Hutes zwei verschiedene Frauenrollen. Später wird er durch das schnelle Umlegen eines Kollars um den Hals innerhalb von Sekunden vom Bräutigam zu Priester. So eine Einlage ist nicht nur beeindruckend, sondern sorgt auch für Lacher, weil das offene Spiel mit Illusion witzig ist. Ein Haus zum Bespiel wird nur mit Pantomine und Phantasie gebaut.
Neben Akrobatik und Jonglage spielt Musik neben dem Spielen der Handlung eine große Rolle. Es kommen mehrere Instrumente zum Einsatz, die von beiden Darstellern bedient werden. Allen voran "die Glücksgeige", die Hauptakteurin und Namensgeberin des Stückes. Daneben erklingen ein Akkordeon, eine Balalaika und eine Flöte. Musik kommt auch aus einem in die Wand einbauten Grammophon. Daneben wird reichlich gesungen.
Das Stück "Die Glücksgeige" lebt von seinen zahlreichen Einlagen, seinem Witz und der Art und Weise wie die beiden Darsteller ihre Rollen geschlechterübergreifend spielen.
Das beginnt schon vor Anfang der eigentlichen Spielhandlung mit einer charmanten Ansage über einen verletzten Finger, der eventuell das Geigespiel beinträchtig (wovon man aber nichts hört) über eine witzig Ermahnung bezüglich Mobiltelefonen und Kindern ("Kinder und Theater vertragen sich nicht gut und umgekehrt"), die auch nocheinmal mitten im Stück aufgegriffen wird, als ein paar kleine Kinder versuchen auf die Bühne zu klettern. Wo hat man schon die Möglichkeit von einem kostümierten Ritter, der kein Fan antiautoritärer Erziehung ist, zum Hinsetzen aufgefordert zu werden?! Die Wache kommt eben auch jenseits der vierten Wand ihren Pflichten nach.
Ein weiterer Grund für die Kurzweil des Stückes ist die verblüffende geschlechterübergreifende Spielweise der beiden Schauspieler, besonders, wenn man bedenkt, das ein Rollenwechsel sehr oft mit nur einem Handgriff auf offener Bühne vollzogen wird. Manche Rollen, wie der Teufel, werden auch von beiden abwechselnd gespielt.
Witzig für die älteren Zuschauer sind auch die kleinen Verweise, mit denen die Handlung gespickt ist, wie ein tuntiger Schneider mit Seidenschal oder dass man die Schweizer Garde mit Käsefondue ablenken muss, um in den Vatikan zu kommen. Eine Prise Selbstironie, die stets gut ankommt.
Natürlich fehlen auch Verträumtheit und märchenhafter Zauber nicht. Spiel und Handlung berühren, unabhängig von Alter. Mitfiebern inklusive. Ist doch das Gut-und Böse-Weltbild aus dem Märchen archetypisch in uns allen irgendwie verankert, egal wie weit wir reflektieren. Einfachheit ist eben auch entspanned - und durchaus spannend, denn Dynamik und Anschlüsse, Regieideen (Robert Eisele) und Dialoge, alle zusammen sorgen sie für gute Unterhaltung.
Kurzweilige Szenen, berührend und gleichzeitig komisch. Eine Idee davon, wie Theater ganz früher ausgesehen haben könnte, aber trotzdem zeitlos und irgendwie auch modern (nicht nur wegen der LKW-Bühne).
Für alle Generationen geeignet.
Weitere ähnliche Produktionen der Compagnie Pas De Deux:
-Ein Märchen aus der Wunderkiste
-Souvenirs
Darsteller:
Aline del Torre
Martin del Torre
Regie: Robert Eisele
Akrobatik: Szilard Szekely
Infos:
Besuchte Aufführung: 8. Juni 2018 in Kassel/Wilhelm-Rohrbach-Platz
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