Eine Adaption eines Stoffes oder eines Narratives in ein anderes Medium ist niemals leicht. Doch es gibt Varianten, die besser funktionieren als andere. Letztendlich kommt es immer auf die theoretische Übertragbarkeit des Einzelfalls und auf die Fähigkeiten der Beteiligten, diesen dann praktisch umzusetzen, an.
Man kann sich streiten, was länger da war, je nachdem wie man es betrachtet: das Theater oder die Literatur. Nichtsdestotrotz haben sich beide gegenseitig beeinflusst, arbeiteten Hand und Hand und ergänzten einander, waren sie doch praktisch neben der Musik und oralen Erzähltraditionen durch alle Zeitalter hinweg die einzig denkbaren Unterhaltungsformen.
Alles änderte sich, als nach und nach immer mehr technische Innovationen Einzug in den Alltag der Menschen einhielten, und aus den Medien Bild und Theater entstanden die bewegten Bilder - der Film war geboren. Jahrzehnt um Jahrzehnt modernisierte sich das Verfahren, Menschen mittels bewegter Bilder zu unterhalten. Der Film adaptierte sämtliche Gattungen der Literatur und des Theaters wie die Tragödie oder die Komödie, machte sich Mischformen zu eigen, schuf gänzlich neue Gattungen und schaffte zu visualisieren, was weder Literatur noch Theater konnten, selbst wenn sie es gewollt hätten.
Theater ist weitestgehend an die Echtzeit gekoppelt, für Sprünge und chronologische Experimente war immer die Literatur zuständig. Der Film nun schlägt beide Fliegen mit einer Klappe und kann im Zweifelsfall ein jedes Genre besser darstellen als Theater und Buch das jemals konnten. Er kann Formen vereinen, er kann erzählen, darstellen, sich Musik und natürlich Bildern bedienen. Er ist, wenn man das so betrachten möchte, eigentlich die ideale Kunstform (mehr kann nur noch das Videospiel), um seinen Rezipienten vollständig in eine Illusion zu versetzen, ihm eine Welt vorzusetzen, die vollends imitiert, nur dass sie auch das Unmögliche möglich zu machen in der Lage ist.
Jetzt kann man sich natürlich streiten, dass die Phantasie beim Lesen viel mehr erschaffen kann als Theater und Film zusammen, dass nur das Theater körperlich erfahrbar ist, oder ob jetzt das Buch, das Drama oder der Film eine Geschichte am besten bzw. am zufriedenstellendsten zu erzählen in der Lage ist. Und dann gibt es diese eine Genre, zu dem das Theater offensichtlich die geringste Affinität hat, das zwar wie alle Gattungen in der Literatur geboren wurde, aber erst durch den Film zu seiner Vollendung finden konnte, als dieser das Theater anscheinend längst hinter sich gelassen hatte. Die Rede ist vom Horror.
Horrorliteratur (lat. für Schauer, Grausen, Entsetzen) als Genre hat ihren Ursprung als Variante der Phantastik, die Motive und Archetypen der Gattung haben ihren Ursprung in Folklore, religiösen Traditionen und Mythologien, die bis in die Antike zurückreichen. Volkssagen von Vampiren und Gespenstern schließlich schufen während der Romantik die Themen des Gothic-Horrors, einer Schauerliteratur, die den Grundstein legte für die Horror-Ikonen des 20. Jahrhunderts, die wiederum für variantenreiche Subgenres sorgten, inspiriert von Serienmördern und anderen blutrünstigen Gestalten als Varianten des Bösen und die statt subtiler Gruselatmosphäre auf blutrünstige Gewaltexzesse setzen.
Jenseits des Films hat das Horror-Genre seine Stilmittel und Eigenschaften, die es kennzeichnen und die bestimmen, ob es sich um einen "guten" oder einen "schlechten" Film handelt. Man kann es schon beinahe eine Grundsatzdiskussion nennen, ob ein gelungener Horrorfilm auf eine dichte Atmosphäre, die Angst erzeugen oder unvorhersehbare Jumpscares, die auf kurze Schreckmomente abzielen, setzen soll.
Genauso wie es natürlich auch Geschmacksache ist, ob man eher auf "Slasher-Gemetzel" oder "Geisterhaus-Grusel" steht.
Dass ein Unterhaltungsmedium wie Film oder Buch spannend sein sollte, versteht sich darüber hinaus von selbst. Die Frage ist eher die, wie diese Spannung erzeugt und gehalten werden muss. Eine Grundaufgabe einer jeden Erzählstruktur, ohne Zweifel. Und während Humor das wichtigste für die Komödie ist, bei Action ebendiese zählt und das Drama Katharsis durch Leiden erzeugen soll, braucht Horror Grusel-Atmosphäre und Spannung, um als Genre zu funktionieren. Die Stilmittel des Horrors sind Schrecken, Ekel, groteske und psychologisch Elemente und eine realistische Schilderung der Ereignisse. Um all diese zu erzeugen, braucht es keine Bilder, denn diese können in der Phantasie beim Lesen von Horror-Literatur wie der von bspw. Stephen King (von dem diese Stilmittel immerhin stammen!) genauso entstehen, wie wenn ein Film diese abbildet. Da fällt dann auch der Jump-Scare/Screamer (plötzlich eintretende Bildsequenz mit lauter Musik oder Geräuschen) als technisches Mittel um Schrecken zu erzeugen nicht ins Gewicht, auch wenn dieser aus dem modernen Horrorfilm nicht wegzudenken ist, zum Leidwesen derer, die ihn als billiges Mittel bezeichnen, das erzählerisch keinerlei Funktion hat.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, das Theater schreckt vor Horror zurück, weil es dessen vermeintlich wichtigstes Stilmittel, den Jumpscare, nicht leisten kann, weil es eben nicht wie der
Film über eine ganze Trickkiste von Effekten verfügt, die eine Bühnentechnik nie und nimmer leisten kann. Das ist aber ein Trugschluss, denn das Grundprinzip des Jump-Scares ist der
Schachtelteufel und der existiert einige Jahrhunderte länger als der Film an sich und eine abrupte Änderung der Bildersequenz könnte theoretisch auch mechanisch erzeugt werden, da braucht es
nicht unbedingt die Smash-Cut-Schnitttechnik des Films, man denke nur mal an Geisterbahnen.
Außerdem braucht Horror dieses Stilmittel mitnichten, was all die Filme, die eine Atmosphäre der Angst und des Schreckens durch Erzähltechniken, Dramatisierung und verstörende Bilder erzeugen und
auch der Literatur, die letzteres nicht einmal kann, mehr als bewiesen haben.
Als eine weitere „Ausrede“ des Theaters kein oder praktisch kein Horror-Repertoire zu haben kann ins Feld geführt werden, dass es keine geeigneten Stücke oder Stoffe gibt, was de facto die schwächste aller Ausreden ist. Stoffe und Tropen, die sich für Horror eignen, gibt es im kulturellen Repertoire der Menschheit genauso viele wie Liebesgeschichten, Krimis oder Komödien. Dämonen und Geister und ihre Wirkung als Gefahr für den Menschen als Figuren und Themen einer Gruselgeschichte sind in praktisch jeder Mythologie, der Bibel und anderen religiösen oder spirituellen Texten und der Folklore aller Völker zu finden. Die Stoffadaptionen anderer Genres für das Theater kommen ja sonst auch von überall her.
Natürlich hat es einen Grund, dass das Theater dem Horror bisher keine sonderlich große Bühne geboten hat und die einzig sinnvolle und logische Erklärung scheint die zu sein, dass es für solche Stücke anscheinend kein oder zumindest kaum Publikum zu geben scheint bzw. die Macher des Theaters selbst nichts mit dem Genre Horror anzufangen wissen. Auch die Angst vor der Übertragung der Stilmittel des Horrorfilms in die Sprache der Bühne flößt sicher Respekt ein, denn zumindest mir fällt keine andere Gattungen ein, die nicht zuerst ausführlich im Theater ausprobiert werden konnte, bevor sie sicher in den Film fand und nicht, wo der Film endlich möglich macht, was die Bühne bis dato nicht zu vollbringen in der Lage war.
Dies alles sind, wenn man einmal genau darüber nachdenkt, eigentlich Scheinargumente, die in keinster Weise rechtfertigen, warum der Horror im Theater definitiv unterrepräsentiert ist.
Wie bei allem anderen in Leben braucht es auch für den Einzug des Genres Horror ins Theater mutige Vorreiter, die die gewohnten (politisch korrekten) und Abo-Publikum-verwöhnten Pfade verlassen, sich auf neues Terrain wagen, mit dem Wissen, dass sie scheitern könnten - oder gewinnen.
Anhand dreier Inszenierungen/Stücke werde ich erörtern, ob und wie der Horror im jeweiligen Fall auf die Bühne gekommen ist und ob er gekommen ist, um zu bleiben.
Da wären zum einen das Gruselstück „Die Frau in Schwarz“, eine Stückentwicklung nach H.P. Lovecraft namens „I am Providence“ (eine Kritik hierzu ist verlinkt, deshalb wird meine Erwähnung dieses Beispiels verhältnismäßig kurz ausfallen) und zu guter Letzt „Horror“ von Jakop Ahlbom, eine Genre-Hommage mit vielen Film-Anspielungen, auf die am detailliertesten eingegangen werden wird.
Zu behaupten, es gäbe gar keine Beispiele, bei denen eine Theaterarbeit der Gattung „Horror“ zugeordnet werden kann, wäre eine Lüge, dennoch sind die Beispiele rar gesät und so sehr Nische wie sonst kaum etwas anderes in der Theaterlandschaft.
Bekannt ist die Geschichte um den jungen Anwalt Arthur Kipps, der Ende des 19. Jahrhunderts in eine gottverlassene Gegend Englands reist, um dort den Nachlass einer verstorbenen Klientin zu ordnen und in deren verwaistem Haus unheimliche Geistererscheinungen ihr Unwesen treiben zwar vor allem aus dem Film von Regisseur James Watkins, der 2012 mit Harry-Potter-Darsteller Daniel Ratcliffe in der Hauptrolle ein düster-effektvolles Gothic-Horror-Werk schuf, jedoch ist Stephen Mallatratts Bearbeitung des gleichnamigen Gruselromans von Susan Hill aus dem Jahr 1983 nicht nur älter als der Film, sondern ist seit 1987 ununterbrochen am Londoner Westend zu sehen und dort eines der Stücke mit der längsten Laufzeit überhaupt. Dennoch ist die Theaterversion des Stückes sporadisch auch im Repertoire deutscher Bühnen zu finden. Sie eignet sich vor allem für die Bühne, weil in dieser Adaption der Geschichte der Protagonist nicht dabei begleitet wird, wie er im Geisterhaus übernatürlichen Erscheinungen begegnet und mit diesen klarkommen muss, sondern er diese Dinge bereits erlebt hat und diese nun - eigentlich in Sicherheit - in einem leeren Theater einem Schauspieler erzählt, bei dem er eigentlich Sprachunterricht nehmen wollte. Dieses Erzählen entwickelt sich für Kipps zur Therapie, indem er das Erlebte nicht nur erzählt, sondern es mithilfe des Schauspielers auch versucht darzustellen. Durch das Wiedererleben der Vergangenheit mischen sich Realität und Fantasie und sollen selbst Schauspieler und Publikum am Verstand zweifeln lassen.
Abgesehen von Geräusch-Effekten wie Rumpelgeräuschen oder nicht lokalisierbaren Schreien setzen die Inszenierungen von „Die Frau in Schwarz“ auf klassische Theatermittel wie die Mauerschau, um durch Erzählen beim Zuschauer die Bilder entstehen zu lassen, die nicht gezeigt werden können. Als Stück im Stück im Stil eines Gothic Novels wird mit formaler Reduktion "ästhetisch wunderbar einfaches Theater" (Stuttgarter Nachrichten) geschaffen.
Das ist eine Version, wie es der Horror auf die Theaterbühne schaffen kann, OHNE dessen ureigenste Mittel zu verleugnen.
An eine Stückentwicklung mit Gruselspannung nach H.P. Lovecraft, dem Meister des Cosmic Horror, wagte sich in der Spielzeit 2019/20 der junge Regisseur Wilke Weermann auf der Studiobühne des Staatstheaters Kassel heran. Indem er Motive aus dem Werk Lovecrafts miteinander verwob und mittels aller möglichen technischen Möglichkeiten der ihm zur Verfügung stehenden Bühne versucht, eine insgesamt grausig-beklemmende, sich langsam aufbauende und verdichtende „Gruselatmosphäre“ zu erzeugen, zeigte er mit „I am Providence“ eine mögliche Adaption des Horror-Genres auf die Bühne und erschafft damit in erster Linie eine Hommage an Lovecraft. Zwar durchaus bemerkenswert gedacht, nimmt aber die schiere Länge und Gleichförmigkeit des Stücks dem Ganzen am Ende mehr Spannung als es ihm verleiht und auch die Effekte stoßen an ihre Grenzen.
Eine Hommage an das Film-Genre ist auch das schlicht „Horror“ betitelte Theaterstück des schwedischen Regisseurs Jakop Ahlbom. Obwohl für die Realisierung die Mittel des Theaters verwendet werden, gelten die des Films als Maßstab und dieser Ansatz hat sich ausgezahlt, geht man danach, wie das Stück von Zuschauern und Kritikern gleichermaßen in den Himmel gelobt wird (siehe Pressestimmen). Doch wie schafft ein Theaterstück etwas, für das es visuell eigentlich die bildlichen Fähigkeiten des Films brauchen müsste, denn der Horror benötigt die perfekte Illusion ohne jeden Bruch vielleicht mehr als jedes andere Genre.
Vielleicht für den Anfang einfach mit einer Liebeserklärung.
Zitate sämtlicher Genreklassiker geben sich in Ahlboms Inszenierung die Klinke in die Hand und er stellt sie in seiner Bühnenshow allesamt einem Publikum vor, das sie entweder bereits liebt oder die Möglichkeit erhält, den Reichtum des Genres in einem Medium kennenzulernen, das nicht den Stempel des Trash trägt, das als kulturelle Rückzugsstätte für den Bildungsbürger gilt. Einer Schicht, aus der Ahlbom selbst nicht stammt. Während seiner Kindheit und Jugend in einem schwedischen Vorstadtghetto fand er Trost und Eskapismus in der Welt des Horrors. Doch das Theater ebnete ihm den Weg aus dieser trostlosen Umgebung. Als erfolgreicher und vielversprechender Absolvent der "Amsterdam School auf Art" arbeitet er seit über 20 Jahren an seinem Oeuvre und erschuf ein Markenzeichen. Er vereinigt Theater, Pantomime, Tanz, Musik und die Welt der Illusionen in seinen durchdachten Inszenierungen und kombiniert auf der Bühne eine kraftvolle visuelle Sprache mit einem ebenso kraftvollen Inhalt.
Denn Horror ist nicht einfach nur Effekt-Spektakel, es erzählt eine Geschichte, und zwar in Form eines eigenständigen - live gespielten - psychologischen Thrillers, der vom Erforschen eines Kindheitstraumas handelt und bedient damit die psychologische Ebene, die das Theater so sehr braucht. Es ist die Geschichte einer Frau, die in das Haus ihrer sadistischen Familie zurückkehrt, wo sie gequält und misshandelt wurde, bis sich schließlich ein grausamer Fluch über das Haus legte, der nun auch in der Gegenwart seine Opfer fordert. Sie wird dort mit ihrer unterdrückten Vergangenheit konfrontiert und kann nur überleben, indem sie der Wahrheit ins Auge sieht und gegen ihre Ängste kämpft. Diese manifestieren sich in unheimlichen Schatten und enden in einem eskalierenden Blutbad, denn Horror vereint alles, was Horror zu bieten hat - von der klassischen gruseligen Geisterhaus-Story bis hin zum brutalen Slasher-Gemetzel, von Dämonen, die aus Fernsehern kriechen bis hin zu blutigen Händen, Elemente die in 3 Subplots zu einem blutrünstigen und spannenden Höhepunkt geführt werden. Auch der Slapstick kommt nicht zu kurz und vollendet, subtil eingesetzt die für den Horror so typische Textur von Angst und Farce.
Ahlbom betreibt einen großen Aufwand für seine Gänsehaut-Momente in Echtzeit - mit Spezialeffekten, die überraschen und die es in der Theaterwelt vorher so noch nicht gegeben hat und das durchaus auch mit Mitteln des Theaters. So ist es das simple Prinzip der guten alten Zaubershow, deren Tricks das Auge hinters Licht führen und für die keine technologischen Innovationen benötigt werden. Ein weiteres noch einfacheres Element ist das der Choreografie und das Leid der Protagonistin wird zu einem nicht unwesentlichen Teil ausschließlich durch Gestik, Mimik, Bewegung und Tanz erzählt. Mit seinen durchchoreografierten Szenen ist Horror also durchaus auch ein "Ballett des Grauens" (Merkur).
Neben seiner Mischung aus Theater, Zaubertricks und Tanzperformance fügt Ahlbom aber noch weitere wesentliche Elemente hinzu, die zum Gelingen der Inszenierung beitragen: Videoprojektionen und Musik. Das erstere ist keine Absage an das Theater. Im Gegenteil: der Theatermacher sieht es als große Herausforderung, diese filmischen Horror-Effekte nun im Theater zu kreieren. Er benutzt schon lange filmische Bearbeitungstechniken für seine Arbeiten. In puncto Ton wiederum kommt alles durch die Boxen, was auf die Tonspur eines Horrorfilms gehört: Kreischen und Klopfen, Wimmern, Winseln und Wispern, Heulen und Zähneklappern.
Eine wesentliche auditive Komponente des Theaters gibt es in Horror aber nicht : und zwar die menschliche Stimme, die die Dialoge und Monologe aus der Literatur zum Leben erweckt, denn Horror funktioniert komplett ohne Text, alles wird über Bewegung erzählt, so als hätte man es mit einem "nostalgischen Stummfilm mit modernen Effekten" (Hamburger Morgenpost) zu tun.
Horror auf der Bühne darf auf gar keinen Fall billig wirken, weniger noch als beim Film, denn ein gelungenes Ergebnis steht und fällt mit der Qualität der Ausstattung, weit mehr als bei vielen anderen Genres. So ist dann auch die Quintessenz von Horror ein aufwändiges Bühnenbild mit optischen Illusionen, die gewollt beinahe filmisch erscheinen. Neben Spezialeffekten, die es in der Theaterwelt vorher so noch nicht gegeben hat, spielen vor allen Licht-Installationen neben guten Kostümen, und anderen visuellen und technischen Effekten, die durch Requisiten und Maske ergänzt werden, eine entscheidende Rolle beim Gelingen der optischen Illusionen .
Die Bühne ist in drei Bereiche unterteilte, die unterschiedliche Zeit- und Existenz-Ebenen darstellen können und dank ihrer kuriosen Zustiegsmöglichkeiten immer wieder für überraschende Momente sorgen.
Die unterschiedlichen Installations- und Lichteffekte leiten das Auge des Betrachters geschickt durch diese Kulisse, lassen Figuren und Requisiten wie von Geisterhand von der Bühne verschwinden und an anderer Stelle wieder auftauchen.
Medienübergeifend und absolut essenziell für einen erfolgreichen Spannungsbogen ist ein geschickter dramaturgischer Aufbau. Auch hier kann Horror mit einer „meisterhaften“ temporären und szenischen Abfolge glänzen. Ebenso in puncto Timing, denn Licht und Geräuscheffekte wirken nur, wenn sie punktgenau erfolgen - und das scheint bei Horror der Fall zu sein.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Erfolg von Horror auch wirklich funktionierender Horror zu sein, auf drei Teilbereichen baut:
Keines davon ist rein film- oder theaterspezifisch. Der Film mag der Maßstab sein, ist aber nicht notwendig, um Horror darzustellen.
Dennoch wird der Zuschauer Zeuge eines Bühnen-Spektakels, das Spezialeffekte einsetzt, „wie man sie sonst von der Leinwand kennt“ und die „normale“ Bühneneffekte nicht nur übersteigen, sondern es sind solche, „die es in der Theaterwelt vorher so noch nicht gegeben hat“ und die das „Unmöglich möglich“ machen. Neben dieser „filmischen“ Effektmaschinerie, die über die gewöhnliche Theatertrickkiste hinausgeht, ist eine dichte Atmosphäre von Anfang an praktisch ebenso maßgebend für den Erfolg wie eine virtuose und hoch durchdachte Szenenfolge und eine perfekt durchchoreografierte Show, die nichts dem Zufall bzw. der Improvisation überlässt. Das Ergebnis ist eine surreale Welt des Entsetzens, ein "gruseliges Gesamtkunstwerk" (Hamburger Morgenpost), das eine klassische Geisterhaus-Story in Form eines virtuos durchchoreografierten visuellen und vor Effekten auf filmischen Niveau strotzenden Bühnenspektakels erzählt und dessen Wirkung anscheinend so spannend und unheimlich sein muss, dass man mit FSK 16 jedenfalls kein Risiko eingehen wollte.
Jakop Ahlbom liefert die Zutaten für ein erfolgreiches Horror-Theater, wie es anscheinend sein sollte, Wilke Werman muss man seinen ambitionierten Versuch definitiv anrechnen und auch Die Frau in Schwarz, die als Stück alles macht, was die beiden anderen nicht machen und umgekehrt, zeigt einen alternativen und sogar ganz und gar theatertypischen Weg Horror erfolgreich auf die Bühne zu bringen.
Damit zeigen die drei Beispiele allesamt, dass Horror und Theater sich nicht per se ausschließen und machbar sind und das auf völlig verschiedenen Wegen - egal, ob man nun tatsächlich erschrecken, einfach nur gut unterhalten und fesseln oder schlichtweg die visuelle Komponente zu rein ästhetischen Zwecken bedienen möchte. Ahlboms verstörendes Effekt-Spektakel beweist, dass man die eventuell benötigten Effekte als Theater leisten kann und Gruselstücke wie „Die Frau in Schwarz“, dass man sie nicht einmal braucht (siehe Horror-Literatur). Es gibt also keinen validen Grund, Horror nicht ins Theater zu lassen und damit die Spielpläne zu ergänzen. Schon gar nicht aus dem Grund eines nicht vorhandenen Interesses, denn zumindest Jakop Ahlboms „Horror“ lockt international gleichermaßen die Zuschauer an, wie es die Kritiker begeistert. Das Motto von dessen Company lautet übriges „We make People wonder“ - mit offenbar zielgruppenorientiertem Theater, denn zumindest sein „Horror“ reicht nicht nur für das Theater aus, sondern an sich! Seine Inspiration hat es nicht nur im Film, sondern vor allem in Zirkus und Zaubershow, und erkannte dessen immenses analoges Illusionspotential, die das Theater leider nur zu gern aufgegeben zu haben scheint.
Am Ende lässt sich sagen, dass es anscheinend weniger um die Übertragung der Stilmittel des Horrorfilms in die Sprache der Bühne geht, als um die Anerkennung der Tatsache, dass Horror als Gattung
den Film als Maßstab gar nicht braucht, sondern sich auf die phantasieanregenden und katalysierenden Methoden der Literatur und des Theaters verlassen kann, um seine Wirkung bestmöglich zu
erzielen. Dass auch hier universelle Stilmittel wie Spannungsaufbau und atmosphärisches Erzählen nicht nur mindestens genauso wichtig sind, wie visuelle und akustische Reize, sondern mit ihnen
Hand in Hand gehen sollten. Und da Theater sich in Echtzeit abspielt, ist die eigentliche Herausforderung wohl das Timing, mit dem alles zu stehen und zu fallen scheint. Und es lässt sich sagen,
dass diese Herausforderung geleistet werden kann, wenn man es denn will. Die Ergebnisse können auch beim Theater so vielfältig ausfallen, wie beim Film und auch die Qualität des jeweiligen Stücks
kann unterschiedlich ausfallen - wie beim Film und hat den Zuschauer bzw. Kritiker am Ende überzeugt, oder eben nicht.
Da sollte die Frage dann eher sein „Will ich so etwas zeigen“? als „Wie will ich so etwas zeigen?“.
Da wohl in der Regel die erste Frage gestellt wird und nicht die zweite, ist Horror im Theater eine Rarität und Beispiele wie die oben genannten sind rar gesät, nichtsdestotrotz findet jede
Rarität ihre Nische, so auch am Theater.
Relativ allein ist darin auch das Hamburger Horrortheater (Deutschlands erste
Horror-Theater-Gruppe), ein solches „Nischentheater der außergewöhnlichen Art“ (Grafschafter Zeitung), das sich auf die Adaption klassischer Schauerliteratur spezialisiert hat und sowohl Namen
als auch Spielort schon öfter gewechselt hat. Erfahren im Touren ist dieses Theater also auch der Herausforderung der wechselnden Spielort-Beschaffenheit gewachsen. Inspiriert vom
Krimidinner hat man auch beim gruseldinner.de gemerkt, dass man neben Krimi auch klassische
Horror-Geschichten zum Essen servieren kann. Wir haben also neben Möglichkeiten auch einen Markt und wie groß oder klein dieser ist, wurde sicher noch nicht vollends ausgelotet.
Der Begriff Suspense (von lat. suspendere („aufhängen“)) bedeutet Spannung in Bezug auf den Ausgang von Ereignissen. Geprägt wurde der Begriff von Alfred Hitchcock und meint die Erwartung eines Ereignisses ohne sein Eintreffen (vgl. François Truffaut: Hitchcock. Paladin-Granada, London 1978, S. 79.). Dieses Stilmittel bezeichnet einen besonders weit gefassten Spannungsbogen, der den Zuschauer möglichst lange hinhalten soll, bis das erwartete Ereignis eintritt. Hierbei ahnt der Zuschauer im Gegensatz zur Figur, dass etwas Schreckliches passieren wird. Dies ist beim Genre des Thrillers bspw. unabdinglich und wird gern als Anzeichen für einen "anspruchsvollen" Horrorfilm gesehen.
Das Gegenteil hierzu ist das Prinzip der Surprise. Hier hat der Zuschauer das gleiche Nichtwissen über eine mögliche drohende Gefahr und kann sich mit diesem dann, wenn das Ereignis schockartig eintritt, simultan erschrecken. Dieser Schrecken ist immer nur eine kurzfristige Bedrohung und kann für den Kontext der Erzählung sogar völlig unerheblich sein. Das Stilmittel des Jump-Scares bedient sich dieses Prinzips und überstrapaziert es regelrecht, weswegen Horrorfilme, die sich dieser Technik bedienen, um den Zuschauer kurzfristig zu erschrecken, nichts als sonderlich erzählerisch anspruchsvoll gewertet werden.
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